Die digitale Transformation der Hochschulbildung: Ein pragmatischer Vorschlag für Hochschulleitungen

Jenseits aller Hysterie und Übertreibungen, die das Thema in den letzten Jahren erfahren hat, bleibt die Frage der Digitalisierung der Hochschulbildung eine der drängendsten Herausforderungen für Hochschulen. Warum? Im Kern sind es fünf Faktoren:

  • Die schiere Nachfrage nach Hochschulbildung weltweit wächst derzeit so rasant, dass nicht in Sicht ist, wie der Bedarf über das Wachstum bestehender oder die Gründung neuer, konventionellen Modellen folgender Hochschulen gedeckt werden kann.

  • Gesellschaftliche Veränderungen unterschiedlichster Art führen zu einer immer heterogeneren Zusammensetzung der Studierendenschaft; überdies verschwimmen die bislang so klaren Grenzen zwischen hochschulischer und beruflicher Bildung, Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung.

  • Der Arbeitsmarkt verlangt, getrieben von technischer und wirtschaftlicher Dynamik, nach ebenso dynamischen, deutlich flexibleren Bildungsangeboten, um lebenslanges Lernen Wirklichkeit werden zu lassen.

  • Die technologischen Voraussetzungen für neue Modelle der Hochschulbildung sind gegeben; die Verfügbarkeit von Bandbreite und Endgeräten limitiert nicht mehr eine Innovation, deren Fälligkeit auf der Hand liegt.

  • Schließlich bauen sich innerhalb des Hochschulsystems selbst zunehmend Wettbewerbsdruck und Kostendruck auf - in allen Märkten die wesentlichen Treiber für Veränderungen; hinzu kommt die Tatsache, dass sich die Hochschulen nicht mehr ihren selbst hervorgebrachten Erkenntnissen zur Ineffizienz tradierter Lernformate entziehen können.

Zugleich wurde die Debatte über die Digitalisierung der Hochschulbildung in den letzten Jahren auf die Frage verkürzt, ob Massive Open Online Courses (MOOCS) in der Lage sind, den Zugang zur hochschulischen Bildung zu “demokratisieren” und gleichsam “Harvard für alle” zu verheißen. Eine teilweise blauäugige Euphorie ist zunächst der Enttäuschung gewichen, nicht zuletzt aufgrund der frappant hohen Abbruchzahlen und der - aller propagierten Offenheit zum Trotz - starken Korrelation zwischen der erfolgreichen Nutzung von MOOCs einerseits und bereits absolvierter formaler Hochschulbildung andererseits. Nun setzt sich zunehmend eine pragmatische Betrachtung durch, die MOOCs als ein Element unter mehreren in die Entwicklung von Hochschulstrategien einbezieht und damit übergeordnete strategische Fragen der Ausrichtung der jeweiligen Hochschule voranstellt. Interessanterweise gewinnen MOOCs so in dem Maße wieder an Bedeutung, in dem sie nicht als Selbstzweck von den Hochschulen produziert werden, sondern ein Baustein sind, um eine jeweils eigene Strategie zu verfolgen. So konstatiert der “Economist” jüngst (14.01.2017) den “Return of the MOOC”.

Vorgehensweise

Um als Hochschule eine digitale Strategie zu entwickeln, habe ich ein Framework entworfen und für eine der führenden Business Schools in Deutschland erfolgreich angewendet, das von drei Fragen ausgeht:

  1. Warum wird eine digitale Transformation angestrebt? - Welche Ziele sollen für die Hochschule erreicht werden?

  2. Was soll digital transformiert werden? - In welchem Bereich sollte, abgeleitet aus der strategischen Zielsetzung, angesetzt werden?

  3. Wie soll die digitale Transformation erfolgen? - Welches Vorgehen erscheint daher sinnvoll? 

1. Warum wird eine digitale Transformation angestrebt?

Die Frage nach dem Warum kann anhand von acht unterschiedlichen Motivationen strukturiert werden, die sich aus dem Handeln von Hochschulen deduzieren lassen. Hochschulleitungen können diese Motivationen für sich gewichten und Klarheit über die vielfach sonst nicht explizierten Absichten gewinnen.

2. Was soll digital transformiert werden?

Aus der auf diese Weise identifizierten Motivation wird abgeleitet, wo innerhalb des (stark vereinfachten) Handlungsmodells angesetzt werden sollte. Die unterschiedlichen Felder der Matrix können ihrerseits im Lichte der Motivationen priorisiert werden, so dass eine Art “Heat Map” entsteht.

3. Wie soll die digitale Transformation erfolgen?

Ein Katalog vielfältiger Fallbeispiele erleichtert es, im dritten Schritt - aus der Motivation abgeleitet und bezogen auf den priorisierten Bereich - Orientierungspunkte für konkrete Maßnahmen zu gewinnen oder weitere Vorhaben zu skizzieren.

Project Canvas

In einem Workshop mit der Hochschulleitung können vor diesem Hintergrund erste Ideen für entsprechende Vorhaben entwickelt und im Format des “Project Canvas” umrissen werden.

Die weitere Arbeit an diesen Projektideen sollte agilen Prinzipien folgen und insbesondere:

  • Die Führungsebene der Hochschule eng einbeziehen,

  • Die Arbeit an der Digitalisierung selbst als Lernprozess verstehen,

  • Methoden wie “Rapid Prototyping” aufgreifen, um schnell erste Erfahrungen sammeln und für den weiteren Prozess fruchtbar machen zu können,

  • Lehrende und Studierende einbinden,

  • Zunächst weitestgehend mit frei verfügbaren technischen Lösungen arbeiten und kostenintensive Investitionen auf einen Zeitpunkt verschieben, zu dem die genauen Anforderungen/Spezifikationen klarer benannt werden können.